Ich war angeschossen worden.
Eine Kugel im Leistenbereich, die dem Gefühl nach auch Knochen verletzt hatte. Ich hatte Schmerzen, die mit nichts vergleichbar waren, was ich bisher erlebt hatte.
Ich befand mich in einem Abwasserkanal, doch ich wusste nicht, in welchem Land oder welcher Stadt ich mich befand.
Die Erinnerungen durch die Schmerzen verdrängt, die Konzentration durch das Adrenalin ersetzt, das mich überleben lassen wollte.
Ich hörte Schreie, noch weit entfernt: "Sie ist irgendwo da unten! Sucht weiter, wir werden sie bald haben!"
Ich hatte Todesangst, war mir sicher, dass ich dort unten sterben würde; denn ich befand mich in einer Sackgasse: vor mir war ein Stahlgitter, das ich nicht durchtrennen konnte.
Auf der anderen Seite des Gitters tauchte eine Gestalt auf, die sofort sagte: "Nicht sprechen."
Ich zielte mit meiner Pistole in die andere Richtung; bereit, auf jeden zu schießen, der um die Ecke biegen würde.
Ich flüsterte: "Ajay? Scheiße, das nenne ich Rettung in letzter Sekunde."
"Ja."
Er durchtrennte mit Hilfe eines Schweißgeräts die Schweißnähte des Stahlgitters.
Dann nahm er meine Hand, ich stöhnte: "Aua." Er fragte: "Wo haben sie dich erwischt?"
"L...Leistenbereich...Rechts.", stöhnte ich gequält.
"Okay. Wir müssen etwa einen Kilometer weiter in die Richtung, bevor wir den Kanal verlassen. Meine Leute haben dort einen Checkpoint eingerichtet. Sie werden uns nach Brasilien zu meinen Leuten bringen. Ihnen kannst du uneingeschränkt trauen, Linette. Sie haben schon Nika geholfen."
Ich stöhnte bei jeder Leitersprosse auf, doch ich schaffte es hinauf. Ajay half mir nach oben; als wir den Checkpoint erreichten, landete schon ein Nod-Transporthubschrauber hinter der Absperrung. Ich sah schwerbewaffnete Nod-Soldaten, die - ihren Uniformen nach zu urteilen - Ex-Mitglieder der Schwarzen Hand waren.
Einer der Nods rief sofort: "Boss! Wie schwer hat´s Linette erwischt?"
Ajay antwortete: "Rechter Leistenbereich. Die Kugel könnte Knochen verletzt haben, sie hat ziemliche Schmerzen. Bringt uns so schnell wie möglich nach Brasilien."
Er sagte nur salutierend: "Alles klar, Boss!"
Ich wurde auf eine Pritsche gelegt und sofort in den Hubschrauber geladen; Ajay stieg mit ein, hielt während des Fluges meine Hand und sprach mit mir, um zu verhindern, dass ich in die Bewusstlosigkeit abdriftete.