Nach dem Abendessen wollte Lisa eigentlich nur noch ihre Ruhe haben. Doch als sie in ihrem Zimmer vor der offenen Kommode stand und die Pampers statt ihrer DryNites vorfand, kochte die Wut wieder in ihr hoch. „Wie konnte sie nur?“, dachte Lisa mit geballten Fäusten. Ihre Mutter hatte es einfach gewagt, an ihre Sachen zu gehen, ohne sie zu fragen, und dann auch noch ihre DryNites durch diese Babywindeln ersetzt! Lisa fühlte sich betrogen und bloßgestellt.
Die Tränen brannten in ihren Augen, aber statt nachzugeben und einen kühlen Kopf zu bewahren, stürmte sie aus ihrem Zimmer. Sie wusste genau, wo ihre Mutter gerade war – bei Lea, um sie bettfertig zu machen. In rasender Wut lief sie direkt in Leas Zimmer, ohne zu klopfen.
Carola war gerade dabei, Lea die Pampers für die Nacht anzulegen, als Lisa hereinplatzte. „Mama, was soll das?“, rief Lisa, ihre Stimme zitternd vor Empörung. „Warum hast du einfach meine DryNites weggenommen?“ Ihre Augen funkelten vor Wut, und Leas fragender Blick wanderte zwischen ihrer Mutter und ihrer großen Schwester hin und her.
Carola, die versuchte, ruhig zu bleiben, hob den Kopf, während sie Leas Schlafanzug zuknöpfte. „Lisa, ich habe dir schon gesagt, warum. Du nimmst die Sache nicht ernst genug, und die Pampers sind nötig. Das Thema hatten wir doch schon.“
Doch Lisas Wut war nicht zu bremsen. „Das ist unfair! Du kannst mir nicht einfach meine Sachen wegnehmen! Ich bin kein Baby mehr!“ Sie funkelte ihre Mutter an, und in ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit. Es war, als würde Carola sie in die Ecke drängen, und sie fühlte sich wehrlos.
Lea, die gerade auf dem Wickeltisch saß, begann sich unbehaglich hin und her zu winden. „Mama, warum schreit Lisa?“, fragte sie leise, während sie zu Carola aufsah.
Carola spürte, wie sich der Druck in ihr aufbaute. Der Plan, Lisa bloßzustellen, ging zwar auf – sie hatte sich vor Lea verraten – doch gleichzeitig wollte sie ihre jüngste Tochter nicht unnötig belasten. Leas große Augen waren voller Sorge, und Carola konnte die Verunsicherung in ihrer kleinen Stimme hören.
„Lisa, geh aus dem Zimmer!“ sagte Carola scharf, aber dennoch bemüht, ruhig zu bleiben. Sie wollte, dass Lea nichts von dem Streit mitbekam. „Ich rede später mit dir.“
„Nein!“, rief Lisa trotzig. „Du hast kein Recht...“
„Raus jetzt!“ Carola unterbrach sie mit fester Stimme. „Wir reden später.“ Sie zeigte zur Tür und hielt Lisas Blick stand, bis diese schließlich, mit einem lauten Stampfen und einem Wutschnauben, das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zuknallte.
Carola schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Sie musste Lea beruhigen, bevor die Kleine noch ängstlicher wurde. Sie lächelte Lea sanft an und strich ihr über die Wange. „Alles in Ordnung, mein Schatz. Lisa ist nur ein bisschen wütend, das legt sich gleich wieder.“
Lea blickte noch immer unsicher, aber sie nickte langsam, während sie ihren Daumen in den Mund steckte. Carola beeilte sich, Leas Schlafanzug wieder zuzumachen und sie ins Bett zu bringen. Sie zog die Bettdecke bis zum Kinn der Kleinen und küsste sie auf die Stirn.
„Schlaf gut, mein Engel,“ flüsterte sie, bevor sie das Zimmer leise verließ und die Tür hinter sich zuzog.
Carola blieb kurz auf dem Flur stehen und atmete tief durch. Das Gespräch mit Lisa lag ihr noch schwer im Magen, doch sie wusste, dass sie sich jetzt darum kümmern musste. Sie ging zu Lisas Zimmer und öffnete vorsichtig die Tür.
Dort lag Lisa auf ihrem Bett, das Gesicht in den Kissen vergraben, und ihre Schultern zuckten vor unterdrückten Schluchzern. Carola spürte einen Stich im Herzen. Sie wollte ihre Tochter nicht so sehen, aber es war nötig, dass Lisa verstand, warum sie so handelte.
Carola trat vorsichtig an Lisas Bett heran. Ihre Tochter lag noch immer schluchzend mit dem Gesicht in die Kissen gedrückt, und ihr Herz zog sich bei dem Anblick zusammen. Ganz behutsam setzte sich Carola neben Lisa und legte sanft ihren Arm um sie.
„Lisa...“, flüsterte sie leise. „Es tut mir leid, dass das alles so schwer für dich ist.“
Lisa regte sich nicht sofort, doch sie konnte spüren, wie der Widerstand in ihrem Körper nachließ. Auch wenn sie so wütend war wie noch nie in ihrem Leben, war sie zugleich emotional viel zu erschöpft, um sich gegen die Umarmung zu wehren. Und in ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass sie ihre Mutter trotz allem liebte. Diese Nähe – auch wenn sie die Ursache ihres Kummers war – war genau das, was sie jetzt brauchte.
Sie blieben eine ganze Weile so sitzen, während Lisas Tränen langsam versiegten und ihr Atem ruhiger wurde. Ihre Hände, die sich anfangs noch zu Fäusten geballt hatten, lösten sich allmählich, und schließlich schlang sie zaghaft ihre Arme um Carolas Taille.
Carola spürte, dass Lisa sich etwas beruhigte, und hielt sie noch ein wenig fester. „Ich weiß, dass du das alles nicht willst“, sagte sie sanft. „Aber du musst verstehen, warum ich es mache. Ich möchte dir helfen.“
Lisa atmete tief durch und hob leicht den Kopf. Sie sah ihre Mutter mit geröteten Augen an, ihre Wut noch nicht ganz verflogen, aber auch nicht mehr so heftig wie zuvor. „Aber...“, begann sie mit rauer Stimme. „Warum ausgerechnet Pampers? Das ist so peinlich, Mama...“
Carola seufzte leise und streichelte Lisas Rücken. „Ich verstehe, dass es dir unangenehm ist. Aber die DryNites... sie haben dir nicht geholfen, wirklich trocken zu werden. Ich weiß, dass du es nicht mit Absicht machst, aber vielleicht hast du dich zu sehr daran gewöhnt. Ich dachte, wenn du wieder Pampers trägst, wird dir das helfen, dich mehr zu bemühen.“
Lisa kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippe. Sie hasste den Gedanken an Pampers, an das Babygefühl, das sie damit verband. Aber die Art, wie ihre Mutter jetzt sprach – ruhig, verständnisvoll und nicht mehr so aufgebracht wie vorher – machte es schwerer, weiter zu widersprechen. Sie fühlte sich immer noch schrecklich, aber vielleicht... nur für heute Nacht...
„Nur heute Nacht...“, murmelte Lisa schließlich, immer noch zögernd.
Carola lächelte sanft und drückte sie noch einmal fest. „Nur heute Nacht. Wir nehmen es einen Tag nach dem anderen, okay?“ Sie wollte Lisa nicht drängen, sondern ihr die Entscheidung leichter machen.
Lisa nickte widerwillig. Sie wollte diese Nacht nur hinter sich bringen, ohne weiteren Streit. Als sie sich von ihrer Mutter löste, schaute sie sie an und fragte zögernd: „Kann ich vorher nochmal auf die Toilette gehen?“
Ein Funken Hoffnung blitzte in Carolas Augen auf. Vielleicht war das der Anfang eines neuen Versuchs, sich wirklich mehr zu bemühen. Sie lächelte und nickte. „Natürlich. Geh ruhig.“
Lisa stand langsam auf und ging ins Badezimmer. Während Carola auf sie wartete, konnte sie nicht anders, als zu hoffen, dass dies ein kleiner Schritt in die richtige Richtung war.
Als Lisa von der Toilette zurückkam, waren ihre Augen immer noch leicht verheult, aber sie versuchte, sich zusammenzureißen. Doch als sie das Zimmer betrat und sah, dass ihre Mutter bereits ein Handtuch auf dem Bett ausgebreitet und die Pampers-Windel auseinandergefaltet hatte, schlug ihr Herz wieder schneller. Es sah so vertraut aus, und doch machte es ihr auf eine völlig neue Weise Angst.
Carola blickte auf und schenkte Lisa ein aufmunterndes, aber etwas angespanntes Lächeln. „Komm her, Schatz“, sagte sie leise. „Lass uns das schnell hinter uns bringen.“
Zögernd ging Lisa zum Bett. Ihr Kopf war voller widersprüchlicher Gedanken, und jedes einzelne ihrer Schritte fühlte sich schwer an. Sie legte sich langsam aufs Bett, spürte das weiche Handtuch unter sich und schloss kurz die Augen. Es war, als würde sie wieder zurück in die Zeit reisen, als sie 8 war – als es noch normal für sie war, gewickelt zu werden. Damals war es ihr schon unangenehm gewesen, aber sie hatte es nicht anders gekannt. Jetzt, vier Jahre später, fühlte es sich wie ein großer Rückschritt an.
Während ihre Mutter vorsichtig die Windel unter sie schob und begann, die Klebestreifen festzuziehen, tauchten in Lisas Kopf Erinnerungen auf, die sie eigentlich längst vergessen glaubte. Sie dachte an den Tag zurück, als sie das erste Mal DryNites bekommen hatte. Sie hatte sich so erwachsen gefühlt, so stolz darauf, dass sie keine „richtigen“ Windeln mehr brauchte und sich allein an- und ausziehen konnte. Es war ein Moment gewesen, in dem sie glaubte, bald auch das Bettnässen in den Griff zu bekommen.
Und jetzt? Jetzt lag sie hier, mit einer dicken Windel, die viel auffälliger war als die DryNites, die sie in den letzten Jahren getragen hatte. Es war, als hätte sie all das verloren, was sie damals so froh gemacht hatte. Die Erinnerungen schmerzten, und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals.
Carola beendete das Wickeln behutsam und zog die Klebestreifen fest. „So“, sagte sie mit sanfter Stimme. „Das war's. Ich weiß, das fühlt sich nicht gut an, aber... es wird besser, Schatz. Ich bin sicher, dass wir das gemeinsam hinbekommen.“
Lisa öffnete die Augen und schaute ihre Mutter kurz an, bevor ihr Blick wieder auf die Windel fiel. Sie war dicker, als sie es in Erinnerung hatte – so dick, dass sie ihre Beine nicht einmal richtig schließen konnte. Es fühlte sich seltsam und unangenehm an, als wäre sie plötzlich wieder viel kleiner, viel hilfloser. Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und drehte den Kopf zur Seite, um die Tränen zu verbergen, die wieder in ihre Augen stiegen.
„Ich bin hier“, sagte Carola sanft und legte eine Hand auf Lisas Schulter. „Du bist nicht allein, Lisa. Wir schaffen das zusammen, ja? Versuch, ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Morgen ist ein neuer Tag.“
Mit diesen Worten beugte sich Carola vor, gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und deckte sie sanft zu. „Gute Nacht, mein Schatz“ flüsterte sie.
Trotz der dicken Windel, die sie störte, und des Ärgers, der noch in ihr brannte, war Lisa zu erschöpft, um länger wachzubleiben. Der Tag war voller Aufregung und Emotionen gewesen, und schon bald fühlte sie, wie der Schlaf sie langsam übermannte
In wenigen Minuten war sie tief eingeschlafen