Der Wecker klingelte um 6:30 Uhr wie jeden Morgen. Sophie blinzelte und drehte sich um, zog die Decke über den Kopf und versuchte, die letzten Sekunden des Schlafs zu genießen, bevor der Alltag sie wieder einholte. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch die Vorhänge und warfen ein warmes, goldenes Licht in das Zimmer, das mit Postern von Bands und Fotos von Freunden geschmückt war.
"Sophie, aufstehen! Es ist Montag!" rief ihre Mutter vom Flur aus, gefolgt von einem leichten Klopfen an der Tür.
"Ja, ich komme schon," murmelte Sophie und setzte sich widerwillig auf. Ihre Gedanken wanderten zu den anstehenden Prüfungen, die über ihr schwebten wie eine dunkle Wolke. Sie fühlte die übliche Anspannung in ihrer Brust, aber sie schob sie beiseite, so gut sie konnte.
Ihre 12-jährige Schwester Melanie stürmte an ihrem Zimmer vorbei, bereits voller Energie und auf dem Weg ins Badezimmer. Melanie war das genaue Gegenteil von Sophie – immer fröhlich, sorglos und voller Tatendrang.
"Beeil dich, Mel! Ich muss auch ins Bad!" rief Sophie und schwang die Beine aus dem Bett. Als sie aufstand, spürte sie etwas Nasses unter ihren Füßen. Sie blickte hinunter und sah die feuchte Stelle auf dem Laken. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.
"Sophie, was machst du?" Melanie steckte den Kopf ins Zimmer, die Zahnbürste noch im Mund. Sophie zog hektisch die Decke über das nasse Laken.
"Nichts! Geh weg!" rief Sophie, vielleicht etwas lauter, als sie beabsichtigt hatte. Melanie zuckte mit den Schultern und verschwand wieder im Flur. Sophies Hände zitterten, als sie versuchte, die Situation zu erfassen. "Das kann nicht wahr sein," flüsterte sie und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war keine Zeit für Panik. Schnell schnappte sie sich frische Bettwäsche aus dem Schrank und begann, das Bett abzuziehen. Jeder Schritt musste leise sein, jedes Geräusch vermieden werden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Während sie arbeitete, lauschte sie auf die Geräusche im Haus – ihre Mutter in der Küche, das Radio lief, Melanies fröhliches Summen aus dem Bad. Alles schien so normal, doch für Sophie hatte sich in diesem Moment alles verändert.
Nachdem sie die feuchten Laken in die Wäschetonne gestopft hatte, warf sie einen letzten prüfenden Blick auf das Bett. Alles sah wieder normal aus. Sie atmete tief durch und versuchte, den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken.
"Sophie, Frühstück ist fertig!" rief ihre Mutter. Sophie zwang sich zu einem Lächeln, griff nach ihrem Handy und ging die Treppe hinunter in die Küche, wo der vertraute Geruch von frischem Kaffee und Toast sie empfing. Doch das Gefühl der Scham und der Angst ließ sie nicht los, als sie sich zu ihrer Familie an den Tisch setzte.